Ära der Zollverwaltung geht zu Ende: Trinitatiskapelle Rütenbrock wird geschlossen

Geschrieben am 17.05.2024
von Redaktion

Die Trinitatiskapelle Rütenbrock wird geschlossen. Dies hat der Kirchenvorstand der Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Johannis, Haren, in seinen Sitzungen am 10. April und 16. Mai einstimmig beschlossen. Die Entwidmung der Kapelle wird voraussichtlich die Regionalbischöfin für den Sprengel Ostfriesland-Ems der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, Regionalbischöfin Sabine Schiermeyer aus Emden, nach kirchenaufsichtlicher Genehmigung durch die Landeskirche des Antrages der Kirchengemeinde zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt in einem letzten Gottesdienst durchführen.



„Wir geben mit dieser schweren Entscheidung, ein Gotteshaus zu schließen, damit die Ursprungskirche des Protestantismus in Haren endgültig auf“, betonte Pastor Dr. Frank Weyen als Vorsitzender des Kirchenvorstandes.

Die Trinitatiskapelle wurde zunächst als Baracke an der Grenze zu den Niederlandes im Kaiserreich in den 1870er Jahren von ca. zwölf evangelischen Zöllnern in der bis heute überwiegend römisch-katholischen Schifferstadt Haren begründet. Es sollte der Platz unmittelbar neben dem Zollgebäude nahe dem Grenzübergang zu den Niederlanden als Ort für die Kirche erworben werden. Dort steht die Kirche bis heute.

Fertigstellung der ersten Kapelle im Jahr 1903

Federführend in der Errichtung waren seinerzeit der preußische Konsistorialrat Grashoff sowie vor allem der Kirchenvorstand der Ev.-luth. Kirchengemeinde Meppen, da es die Kirchengemeinde in Haren noch nicht als eigene Körperschaft öffentlichen Rechtes gab. Diese konnte erst später gegründet werden. Im Jahre 1903 war die Kapelle fertiggestellt. Es ist bis heute nicht überliefert, wann der erste evangelische Gottesdienst in dem 50m² kleinen Gottesdienstraum 1902/1903 stattgefunden hat. Es ist sogar denkbar, dass das Gebäude zunächst nur als Bethaus ohne pfarramtliche Betreuung genutzt worden sein könnte.

Erweiterung Anfang der 50er Jahre

Ihre heutige Größe erlangte die Kapelle 1953 mit einem Erweiterungsbau des ursprünglichen Bestandes. Wie sich heute herausgestellt hat, begann damit der Prozess, der nun auch das Ende der Kapelle herbeigeführt hat. Die Gründung des seinerzeitigen Erweiterungsbaues war ungenügend, so dass es von Beginn an nach dem neuesten Gutachten, das die Kirchengemeinde gemeinsam mit dem Ev.-luth. Kirchenkreis Emsland-Bentheim hat jüngst erstellen lassen, zu einer Sohllastüberschreitung der Fundamente und Grundmauern von 75% kommt. Zulässig wäre eine Überschreitung von max. 10%. Damit war das Gebäude seit 1953 ständig einsturzgefährdet.

Ein Erdbeben von vor ca. 15 Jahren hatte dann sichtbar gemacht, was seit 1953 an baulichen Mängeln die Kirche stets begleitete: Das Gebäude hätte zu jeder Zeit auch ohne Erdbeben einstürzen können. Der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde St. Johannis sah sich am 10. April daher gezwungen, die Kapelle aus versicherungsrechtlichen Gründen für alle Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen zu schließen und ein Betretungsverbot zu erlassen, um die Gemeindeglieder vor Schäden zu bewahren.

Da weder die Landeskirche noch der Kirchenkreis, angesichts der durch den demografischen Wandel verursachten sinkenden Steuereinnahmen der kommenden Jahre, sich in der Lage sehen, die Kirchengemeinde bei einer mind. 600.000,-€ umfassenden Sicherung des Gebäudes unterstützen zu können, sah sich der Kirchenvorstand angesichts des sehr kleinen Gemeindehaushaltes wirtschaftlich überfordert, das Gebäude noch zu halten.



„Wir sind traurig darüber, dass die Trinitatiskapelle nun künftig für uns nicht mehr genutzt werden wird. Für das Bundesfinanzministerium, als oberste Zollbehörde, jedoch geht mit dem Ende der Kapelle zugleich die Geschichte des Zollwesens, das seit Jahrhunderten Blüte und Glanz Deutschlands begünstigt hat, zu Ende. Die Trinitatiskapelle Rütenbrock ist die einzige Zöllnerkirche in Deutschland und hat daher einen bleibenden historischen Wert für Europa.“, betonte Pastor Dr. Weyen. Sollten sich Bund und EU möglicherweise für den Erhalt der Kapelle stark machen wollen, stünde die evangelische Kirchengemeinde dem nicht entgegen, sondern würde dies sogar begrüßen, wenn das Gebäude in staatlich-denkmalpflegerische Hände übergeleitet werden könnte, so der Pastor. Aktiv für Gottesdienste würde die Kirche dann jedoch von der evangelischen Kirche auf keinen Fall mehr genutzt werden: Die Entwidmung durch die Regionalbischöfin ist ein letzter endgültiger Schritt.


Das Zentrum der Kirchengemeinde ist seit der Errichtung der St. Johanniskirche in den 1960er Jahren auf dem Standort der 1938 in der Reichspogromnacht von Nationalsozialisten niedergebrannten Synagoge an der Werftstraße in Haren. Hier bewahrt die Kirchengemeinde heute das Erbe der Zöllnerkapelle Rütenbrock ebenso wie, gemeinsam mit der Stadt Haren, das Erbe des ehemaligen jüdischen Lebens in Haren.